Veranstaltung von NACHGEFRAGT und DGB / Arbeit und Leben: „Rechtsradikalismus in den Betrieben –  Ursachen und Folgen für die Demokratie“ am 9.7.2024

Ohne die Zuwanderung von Arbeitskräften „können wir den Laden hier dichtmachen“

„Jetzt komme ich schlauer raus, als ich reingekommen bin“

Bei Interesse am Sendungsmitschnitt des Freien Radios bitte Mail an initiativenachgefragt@gmx.de

Der Abend am 09. Juli im DGB Haus mit Klaus Dörre, Prof. an der Uni Jena, und Orry Mittenmayer, Gewerkschafter der NGG, hat sich offenbar für den oben zitierten Teilnehmer gelohnt. Im Mittelpunkt der über zweistündigen Veranstaltung mit knapp 100 Teilnehmenden stand die Frage, wie es die AfD mit ihrer ausländerfeindlichen Politik schaffen konnte, fast ein Drittel der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zum Beispiel in der Autoindustrie für sich und ihre Politik zu gewinnen. Dem setzte Dörre das zentrale Argument entgegen, ohne die Zuwanderung von Arbeitskräften „können wir den Laden hier dichtmachen.“

Dazu präsentierte Dörre eindrucksvolle Zahlen: 36,6% der Beschäftigten in der Altenpflege haben einen Migrationshintergrund. Auch im Gesundheitswesen (Human- und Zahnmedizin) wäre ohne die migrantischen Arbeitskräfte eine Versorgung der Patienten in hohem Maße gefährdet, denn fast 30% der Beschäftigten dort haben einen Migrationshintergrund. Allein diese Zahlen machen deutlich, so der Hinweis von Dörre, wie absurd die Remigrationsfantasien einiger AfD-Politiker und Rechtsradikaler sind.

Doch allein mit Zahlenbeispielen wird man die Kolleginnen und Kollegen in den Betrieben, die mit der AfD sympathisieren, nicht zurückgewinnen können. Orry Mittenmayer wies in seinem Beitrag darauf hin, wie wichtig die Installierung von Betriebsräten ist und dass vor allem eine an den Bedürfnissen und Interessen der Beschäftigten orientierte und konsequente gewerkschaftliche Betriebratspolitik eine „Brandmauer“ gegenüber dem Rechtsradikalismus darstellt. ‚Das persönliche Gespräch‘ und die argumentative Auseinandersetzung mit AfD-Sympathisanten sind hierbei unerlässlich. Mit der ‚Nazikeule‘ wird man die Kolleginnen und Kollegen nicht zurückgewinnen können.

Dies war auch die einhellige Meinung der Diskutanten, viele von ihnen Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter, im Anschluss an die Beiträge der Referenten. Darüber hinaus wurde in der Diskussion hervorhoben, dass Forderungen der Zivilgesellschaft an die herrschende Politik etwa zur Verbesserung der Integration von Geflüchteten das von den Referenten gewünschte ‚persönliche Gespräch‘ begleiten müssten. Dabei könnten, so ein Diskussionsteilnehmer, die wirtschaftlichen und sozialen Folgen der deutschen Beteiligung an dem Ukrainekrieg nicht außen vor bleiben.

Von dieser Veranstaltung, die neben der Initiative NACHGEFRAGT e.V. noch vom DGB Nordhessen, Arbeit und Leben, der GEW, der VHS Region Kassel und vom Evangelischen Forum getragen wurde, sollten, so die Meinung vieler Teilnehmenden, weitere zivilgesellschaftliche Impulse mit dem Ziel ausgehen, das weitere Vordrängen rechtsextremistischer Positionen aufzuhalten und schließlich zurückzudrängen. 

Michael Lacher

Mehr:

https://www.fr.de/wirtschaft/soziologe-klaus-doerre-wir-muessen-arbeit-und-klasse-wieder-zum-thema-machen-93148612.html

Dörre, K., Bose, S., Lütten, J. et al. Arbeiterbewegung von rechts? Motive und Grenzen einer imaginären Revolte. Berlin J Soziol 28, 55–89 (2018). https://doi.org/10.1007/s11609-018-0352-z

Dörre, K., Liebig, S., Lucht, K. et al. Klasse gegen Klima? Transformationskonflikte in der Autoindustrie. Berlin J Soziol 34, 9–46 (2024). https://doi.org/10.1007/s11609-023-00514-z

Veranstaltung mit Katrin Lehman: ‚Flucht-Einwanderung-Migration-Asyl‘

Frau Lehmann erläuterte detailliert und sehr systematisch die verschiedenen Formen von Migration, die in der derzeit aufgeheizten politischen Debatte oft vermengt werden.

Am 3.7.2024 fand im Stadtteilzentrum  West eine vereinsöffentliche Informationsveranstaltung zum Thema ‚Flucht – Einwanderung – Migration – Asyl‘ statt. Katrin Lehmann, Vorsitzende Richterin am Hessischen Verwaltungsgerichtshof a.D.,  stellte das Thema zunächst in den großen Rahmen eines dauerhaften ‚Menschheitsthemas‘, z. B. der deutschen Auswanderung vom 17. bis ins 19. Jahrhundert und der Emigration in der Zeit vor und während der Shoah. Davon ausgehend skizzierte sie Grundzüge, Probleme und Veränderungen des Asyl- und Aufenthaltsrechts bis in die Gegenwart.

Laut UNHCR (UN-Flüchtlingskommissar) sind im Moment 120 Millionen Menschen auf der Flucht, wobei ca. 57 Millionen im eigenen Land vertrieben wurden und viele in den armen Nachbarländern Zuflucht suchen. Zuwanderung in erheblichem Umfang gibt es derzeit aus der Ukraine, aber auch aus den Hauptherkunftsländern Syrien, Afghanistan und der Türkei. Pro Asyl weist darauf hin, dass 2022 über 70 Prozent der Personen, die um Flüchtlingsschutz nachgesucht haben und deren Anträge materiell geprüft wurden (also nicht die sogenannten Dublin-Fälle, sogenannte ‚bereinigte Schutzquote‘) Schutz erhalten haben. 

Abgesehen hiervon benötigt Deutschland in sehr relevantem Umfang Zuwanderung, um seinen Wohlstand zu halten. Ca. 400 000 ausländische Fachkräfte werden deshalb pro Jahr für den deutschen Arbeitsmarkt benötigt.

Frau Lehmann erläuterte detailliert und sehr systematisch die verschiedenen Formen von Migration, die in der derzeit aufgeheizten politischen Debatte oft vermengt werden. Abgesehen von den Ukraine-Flüchtlingen, die sofort Bürgergeld-berechtigt sind, müssen alle Migranten verschiedene rechtliche Prozeduren durchlaufen, bis sie als ‚bleibeberechtigt‘, ‚geduldet‘ oder ‚ausreisepflichtig‘ eingeordnet sind. Von den ca. 262.000 ‚Ausreisepflichtigen‘ sind wegen verschiedener rechtlicher Bestimmungen am Ende nur 51.000 tatsächlich ausreisepflichtig (siehe auch Folie 14).

Das sogenannte Chancen-Aufenthaltsrecht bietet für die betreffenden Ausländer*innen die Möglichkeit eines Wechsels vom Duldungsstatus hin zu einem Aufenthaltsrecht. Die Voraussetzungen sind jedoch komplex und sicher nicht für alle zu erreichen.

Im Flüchtlingsrecht verschärfen die Mitgliedstaaten mit der sogenannten GEAS Reform die Regelungen zum Flüchtlingsschutz in eklatanter Art und Weise. Pro Asyl: Zu den schon bestehenden Zäunen, Mauern, Überwachungstechniken und Pushbacks kommen nun noch Inhaftierungen und die Isolierung schutzsuchender Menschen in Lagern an den Außengrenzen und menschenrechtswidrige Deals mit autokratischen Regierungen.

Fazit: Wir sehen im Moment vier mögliche Richtungen der Weiterarbeit in unserer Initiative.

  1. Aufklärung über die Gefährdung der Demokratie durch autoritäre Gesetzgebung, z. B. beim Asyl- und Ausländerrecht, initiiert von Nancy Faeser
  2. Entwicklung konkreter (politischer)  Forderungen für eine bessere und schnellere Integration von Migranten, z. B. durch eine Arbeitserlaubnis bereits während des Asylverfahrens
  3. Schaffung von Erfahrungsräumen und Begegnungsmöglichkeiten zum Beispiel durch kulturelle Veranstaltungen
  4. Entwicklung/Weiterverbreitung  von Argumentationshilfen gegen Stammtisch-Parolen (Daran arbeiten unseres Wissens nach bereits MBT, pro asyl u. a.)

Gemeinsam ist diesen verschiedenen Handlungsansätzen, dass sie die deklamatorische Ebene verlassen und jeweils möglichst konkret werden müssten. Es kann sein, dass wir uns als Initiative NACHGEFRAGT entscheiden müssen, eine Richtung zu priorisieren oder in Kleingruppen jeweils an einem Thema weiterzuarbeiten.

Hier geht es weiter zur Präsentation https://initiative-nachgefragt.de/wp-content/uploads/2024/07/Praes-Katrin-Lehmann-Flucht–Einwanderung–Migration–Asyl.pdf

Presseerklärung Kassel Standort Dokumentationszentrum NSU-‚Terror

Kasseler Initiative NACHGEFRAGT für Demokratie, Aufklärung und
Politische Bildung e. V.

Initiative NACHGEFRAGT: „Kassel ist der richtige Standort für das Zentrale Dokumentationszentrum zum NSU-Terror.“

„Kassel ist der richtige Standort für das geplante Zentrale Dokumentationszentrum zum NSU-Terror“, erklärte Horst Paul Kuhley von der Kasseler Initiative NACHGEFRAGT e. V. Bei der Gedenkveranstaltung am 6.4.2024 zum Mord an Halit Yozgat sei sehr deutlich geworden, dass sowohl Angehörige der Opfer als auch die muslimische Gemeinschaft und sehr viele Beteiligte aus zivilgesellschaftlichen Initiativen das Gedenken wachhalten. „Auch 18 Jahre nach dem Mord unterstützen viele Menschen die Forderung nach gründlicher Aufklärung, weil sowohl der Münchner NSU-Prozess als auch zahlreiche Untersuchungsausschüsse in Bund und Ländern viele Fragen nicht beantwortet haben“, so Kuhley.

Auch sei bei der Gedenkfeier am 6.April wieder zur Sprache gekommen, dass die dubiose Rolle des damaligen Verfassungsschützers Temme und sein Verhalten am Tatort immer noch nicht geklärt worden ist. Ein Dokumentationszentrum, das sich nicht nur auf den NSU-Terror beschränkt, sondern auch Zusammenhänge mit den Mordtaten von Halle und Hanau und den Mord an Dr. Walter Lübcke aufzeigt, hätte in Kassel seinen richtigen Platz.

„Im Falle der Realisierung des Zentrums in Kassel können die Verantwortlichen mit einer breiten Unterstützung durch die Zivilgesellschaft rechnen. Die Initiative NACHGEFRAGT ist jedenfalls dazu bereit“, sagte Kuhley. „Wir haben sowohl den NSU-Ausschuss als auch den Untersuchungsausschuss zum Mord an Dr. Walter Lübcke engmaschig begleitet und dazu viele  Informationsveranstaltungen in Kassel organisiert“, so Kuhley abschließend.

mit der Bitte um Veröffentlichung

Horst Paul Kuhley











Neuwahl des Vorstands

Bei der Jahreshauptversammlung am 7.11.2023 wurde der Vorstand für die neue Amtszeit von 2023 bis 2025 gewählt. Es wurden gewählt:

Horst Paul Kuhley (1. Vorsitzender)
Elisabeth Gessner (2. Vorsitzende)
Heike Lühmann (Kassiererin)
Karl Bachsleitner (Beisitzer)
Michael Lacher (Beisitzer)
Jacqueline Renz (Beisitzerin)
Rainer Tigges-Gessner (Beisitzer)

Gescheiterte Aufklärung? – Untersuchungsausschüsse in hessischen Verhältnissen

Veranstaltung am 25.10.2023 – 18:00 bis 20:00

Kirche im Hof, Friedrich-Ebert-Straße 102

Thesen zum Hessischen Untersuchungsausschuss 20/1 (Dr. Walter Lübcke) für die Veranstaltung „Gescheiterte Aufklärung – Untersuchungsausschüsse in hessischen Verhältnissen“ am 25.10.2023

Von Horst Paul Kuhley

  1. Wir von der Initiative NACHGEFRAGT haben zu Beginn der Arbeit des Untersuchungsausschusses angenommen, es sei ein Grund für Optimismus, dass zum ersten Mal in Hessen ein Gesetz für Untersuchungsausschüsse als Grundlage der Arbeit einstimmig verabschiedet wurde.
  2. Ein zweiter Grund für Optimismus schien uns die Wahlen eines SPD-Abgeordneten als Berichterstatter und des Linken Abgeordneten Hermann Schaus zum stellvertretenden Ausschussvorsitzenden zu sein.
  3. Drittens waren wir der Hoffnung, dass die Regierungspartei CDU bei der Untersuchung des Mordes an einem Repräsentanten aus ihren eigenen Reihen mehr Eifer an den Tag legen würde, als beim NSU-Mord an Halit Yozgat.
  4. Viertens hat der Einsetzungsbeschluss des Landtags Hoffnung gemacht, dass auch die Zusammenhänge zwischen beiden Morden und die Kontinuitäten der rechtsextremen Szene in Nordhessen zur Sprache kommen würden. Diese Hoffnung hat sich nicht erfüllt.
  5. Bedenken kamen uns dann, als während der Corona-Monate im Jahr 2020 ein fast endloses Gezerre hinter den Kulissen über die zu ladenden Zeugen und über Einsichtnahme in Gerichtsakten stattfand.
  6. Als wir dann hörten, dass die Ausschusssitzungen nur presseöffentlich stattfinden sollten, haben wir zum ersten Mal direkt in die Ausschussarbeit eingegriffen und uns mit anderen Initiativen für allgemeine Öffentlichkeit der Sitzungen eingesetzt. Es wurde dann ebenfalls hinter den Kulissen ein Kompromiss erzielt, der 30 je Plätze für Presse und allgemeine Öffentlichkeit zuließ. Diese Zahl an Plätzen wurde nur an zwei Terminen benötigt (Vernehmung Ernst, Vernehmung Hartmann). Oft waren die Mitglieder von NACHGEFRAGT allein auf den Öffentlichkeitsplätzen. Es ist uns jedoch glaubwürdig versichert worden, dass die Anwesenheit von uns einen Unterschied in der Intensität der Befragungen erzeugte. Es gab eine Begleitung der Arbeit durch eine Veranstaltungsreihe von uns und den Blog von Michael Lacher. Die Koalitionsfraktionen haben aber sich nicht großartig beteiligt.
  7. Wir haben ein zweites Mal zur Mitte der Ausschusszeit in die Arbeit eingegriffen, indem wir bemängelten, dass manche Ausschussmitglieder, insbesondere die von CDU und Grünen auf ihr Fragerecht in Sitzungen verzichteten und somit die Opposition allein an der Aufklärung arbeiten musste. Danach trat kurz eine Veränderung ein zu einem respektvolleren Umgang miteinander.
  8. Insbesondere durch den Ausschussvorsitzenden Heinz (CDU) aber auch durch andere Abgeordneten, wie Bellino und Müller (beide CDU) wurde systematisch verhindert, dass Fragen zum zweiten Teil des Einsetzungsbeschlusses, nämlich zur rechtsradikalen Szene gestellt werden konnten, sofern sie nicht auf die Namen Ernst und Hartmann konzentriert waren.
  9. Es war in unseren Augen ein Skandal mit Ansage als durch den ehemaligen Innenminister und jetzigen Ministerpräsidenten Rhein ein pauschaler Freispruch vom Behördenversagen formuliert wurde, dem sich sein Nachfolger nur anschließen musste, mit dem Tenor: Der Mord an Walter Lübcke war nicht zu verhindern.
  10. Dieser Skandal wurde noch übertroffen, dadurch dass still und heimlich von wem auch immer ein detaillierter Abschlussbericht vorbereitet wurde, eingebracht von Holger Bellino, den CDU und GRÜNE dem sorgfältig ausgearbeiteten Bericht des offiziellen Berichterstatters Kummer (SPD) per Ein-Stimmen-Mehrheit als offiziellen Bericht entgegensetzen konnte. Auch hier mit dem Tenor: Es wurden keine Fehler gemacht, der Mord war nicht zu verhindern.

Raus aus der rechten Szene – Wie kann das gelingen?

Podiumsgespräch und Diskussussion

16.Mai 2023 im Evangelischen Forum

Lutherplatz 11

Podiumsgespräch mit:

Prof. Dr. Michaela Köttig, „Frankfurt
University of Applied Sciences“, forscht
zum Thema „Soziale Arbeit und
Rechtsextremismus“, besonders zu den
Problemen von Aussteigerinnen aus
der rechten Szene

Fabian Wichmann, Berlin, arbeitet für
EXIT, verfügt über langjährige
Erfahrungen als Ausstiegsberater bei
EXIT und ist spezialisiert im
Phänomenbereich Rechtsextremismus

Moderation:
Heike Lühmann, Initiative
NACHGEFRAGT e.V.

Gefördert durch den Präventionsrat
der Stadt Kassel

und den Hessischen Minister der Justiz

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Bericht vom Podiumsgespräch: Gemeinsam gegen rechts? – Was wir vom Aktionsplan gegen Rechtsextremismus des Bundesministeriums des Inneren erwarten können

Bericht von der Veranstaltung am 2. November 2022 von 18:00-20:00 Uhr in der Karlskirche am Karlsplatz
Veranstalter: Evangelisches Forum Kassel, Initiative NACHGEFRAGT e. V.
Unterstützer: Volkshochschule Region Kassel, Neue Richtervereinigung, Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Juristen, Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Kassel Land und Kassel Stadt

Vorstellung des Aktionsplanes: Esther Dilcher (Bundestagsabgeordnete, SPD) Gesprächspartner: Dr. Rolf Gössner (Rechtsanwalt, Publizist und Kuratoriumsmitglied der Internationalen Liga für Menschenrechte), Dr. Dr. Maximilian Pichl (Vertretungsprofessur Politische Theorie, Universität
Kassel), Moderation: Armin Ruda (Medienprojektzentrum Offener Kanal Kassel)


Die Veranstaltung fand statt, allerdings nicht ganz wie geplant. Da die Bundestagsabgeordnete Esther Dilcher erkrankt war, konnte die Position der SPD zum Aktionsplan nicht vertreten werden. Stattdessen referierte Karl Bachsleitner von NACHGEFRAGT die wesentlichen Aussagen in dem 10-Punkte Aktionsplan.
Der Jurist Rolf Gössner und Dr. Dr. Maximilian Pichl bezeichneten übereinstimmend den Plan als „Diskussionsgrundlage“, also durchaus mit erwägenswerten Maßnahmen und Ansätzen ausgestattet. So sei etwa der Schutz von Mandatsträgern im lokalen Bereich dringend verbesserungswürdig, sagte Pichl.
Rolf Gössner hob als einen Gefahrenpunkt hervor, dass die Verschärfung der staatlichen Kontrolle des Beamtenapparats dazu führen könne, dass man wieder zu einer „Regelanfrage“ vor jeder Einstellung käme, wie in den unseligen Zeiten der Berufsverbotepraxis in den siebziger und achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts. Pichl stimmte zu und verwies auch auf den
Punkt der unklaren Definition von „Verschwörungserzählungen“, die jede Kritik an staatlichen Maßnahmen als „nicht verfassungsgemäß“ einordnen könnte. Der Unterschied gegenüber der Berufsverbote-Kampagne sei, dass nicht nur die Ablehnung der Verfassung zu Maßnahmen führen könne, sondern darüber hinaus auch die Ablehnung konkreten staatlichen Handelns.

Aus den Reihen der 64 Teilnehmerinnen und Teilnehmer kamen Anfragen zu den juristischen Grundlagen und der Umsetzung des Aktionsplans. Die
Referenten waren sich einig, dass bisher noch wenig von der Umsetzung bemerkt werden könne, allerdings sei zum Beispiel das bereits seit längerem diskutierte „Demokratie-Fördergesetz“ ein komplexes Vorhaben, bei dem Familienministerium, Justizministerium und Innenministerium zusammenwirken müssten.
Auf die Nachfrage einer Zuhörerin, ob es ein Land gebe, in dem man auf einen
Inlandsgeheimdienst verzichte, mussten beide Referenten zunächst passen. Allerdings, so Rolf Gössner, enthalte die Verteidigung der Demokratie durch einen Geheimdienst einen logischen Widerspruch, da ein Geheimdienst nicht demokratisch kontrollierbar sei. Das läge in der Natur der Sache. Hier verwies Pichl auf England, wo einige Skandale zu einer restriktiveren Praxis bei der Überwachung von Organisationen geführt hätten. Gössner berichtete von einer rot-grünen Periode in Niedersachsen, die von einer eingeschränkten Aufgabendefinition für den Verfassungsschutz geprägt war.
Pichl konstatierte, dass die diversen NSU-Untersuchungsausschüsse systematisches Versagen der 17 Ämter für Verfassungsschutz zu Tage gebracht hätten, und dass das System bezahlter (und z. T. offen krimineller) V-Leute bei der Mitfinanzierung rechtsextremer Netzwerke geholfen habe. Deshalb seien Pläne für einen Ersatz des Verfassungsschutzes durch ein ziviles
Forschungsinstitut in Thüringen diskutiert, jedoch nicht umgesetzt worden.
Bereits während der Diskussion und auch nach dem Ende der zweistündigen Debatte erhielten die Veranstalter Evangelisches Forum und NACHGEFRAGT viel Lob von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Man könne sich jetzt ein besseres Bild von dem Aktionsplan machen, so eine Teilnehmerin. Die Veranstaltung helfe dabei, sich eine eigene Meinung über den Aktionsplan zu
bilden, sagte ein Teilnehmer.

Presseerklärung von NACHGEFRAGT zum NSU Aktenleak von ZDF Magazin Royale

„Dokument der gesammelten Ahnungslosigkeit“

Als „Dokument der gesammelten Ahnungslosigkeit“ bezeichnet die Kasseler Initiative NACHGEFRAGT die vom Hessischen Landesamt für Verfassungsschutz im Abschlussbericht zur Aktenprüfung im LfV Hessen Im Jahre 2012 die für zunächst 120 Jahre gesperrten Informationen.

„Auch bei genauerem Hinschauen ist nicht erkennbar, welche angeblich schutzwürdigen Interessen die Einstufung des Berichts als ‚geheim‘ gerechtfertigt haben“, kritisiert der Vorsitzende von NACHGEFRAGT, Horst Paul Kuhley, die nicht nachvollziehbare Sperrung gegen das Aufklärungsinteresse der Öffentlichkeit.

Die Kasseler Initiative hat nicht nur den jetzigen Lübcke-Untersuchungsausschuss, sondern auch den NSU-Untersuchungsausschuss der vorigen Wahlperiode begleitet. „In beiden Ausschüssen haben wir Zeuginnen und Zeugen aus dem Amt gehört, deren Aussagen es nahelegen, dass der Verfassungsschutz ziemlich ahnungslos über die Struktur und die Vernetzung der Rechtsextremisten in Nordhessen, Niedersachsen und Thüringen war“, so Kuhley. Es seien in dem jetzt öffentlich gemachten Bericht bekannte Namen von Rechtsextremisten aufgeführt, andere bekannte Rechtsextremisten fehlten jedoch.

„Worauf CDU und GRÜNE die Rechtfertigung für die Geheimhaltung stützen, ist nirgendwo erkennbar, es sei denn, das Komplettversagen des Landesamts sowohl beim NSU als auch bei der Verhinderung des Mordes an Walter Lübcke soll verdeckt werden“, kritisiert Kuhley. So wird der Name von Stephan Ernst in dem Abschlussbericht zwar mehrfach aufgeführt, die Aktenlage beim Verfassungsschutz zu Ernst endet jedoch offensichtlich in 2004, seine Verurteilung in 2010 wegen des gewalttätigen Angriffs auf eine DGB-Demonstration am 1. Mai 2009 sei offensichtlich nicht auf dem Schirm der Verfassungsschützer gewesen, obwohl ihn der ehemalige Präsident Eisvogel als ‚brandgefährlich‘ markiert hatte. Deshalb sei es wenig verwunderlich, dass Stephan Ernst an einem sicherheitsrelevanten Arbeitsplatz Kollegen rechtsradikal agitieren konnte und zusammen mit Markus H. in mehreren Vereinen einem Schießtraining nachgehen konnte, so Kuhley. „Ein Verfassungsschutz, der Akten von gewalttätigen Rechtsradikalen für die Aufklärungsarbeit unzugänglich macht, kann seinem Schutzauftrag nicht nachkommen, das ist die bittere Lehre aus dem nun öffentlichen Bericht“, stellt Kuhley abschließend fest.

Kritik an Versuch zur Abschreckung der Öffentlichkeit beim UNA    20/1 am 4.11.2022

Presseerklärung

  Kasseler Initiative NACHGEFRAGT für Demokratie, Aufklärung und
  Politische Bildung e. V.

 Als „Versuch zur Abschreckung der Öffentlichkeit“ kritisierte die Kasseler Initiative NACHGEFRAGT die Entscheidung des Ausschussvorsitzenden Christian Heinz (CDU), die nächste Sitzung des Untersuchungsausschusses UNA 20/1 (Dr. Walter Lübcke) an zwei verschiedenen Orten in Wiesbaden durchzuführen. Die Vernehmung des Mörders Stefan Ernst im Landgericht Wiesbaden führe de facto zur Begrenzung der Plätze von Presse und Öffentlichkeit auf 30 Personen. Es sei zu erwarten, dass dies bei der Vernehmung eines wichtigen Zeugen dazu führe, dass zwischen interessierten Bürgerinnen und Bürgern und der Presse das Los über die Zulassung entscheiden werde.

„Die Rechte von Öffentlichkeit und Presse werden so dem Zufallsprinzip geopfert“, kritisiert der Vorsitzende von NACHGEFRAGT, Horst Paul Kuhley, die vorhersehbare Platzbeschränkung.

Die Kasseler Initiative hat nicht nur den jetzigen Untersuchungsausschuss, sondern auch den NSU-Untersuchungsausschuss der vorigen Wahlperiode begleitet. „Dort ist eine inhaftierte Zeugin mit Hand- und Fußfessel im Ausschuss bei unbeschränkter Öffentlichkeit verhört worden“, so Kuhley. Es sei nicht nachzuvollziehen, warum die Sicherheitsbedenken diesmal größer sein müssten, zumal Ernst sich doch als Aussteiger aus der rechtsradikalen Szene bezeichne. „Die Abschreckung von Öffentlichkeit wird auf die Spitze getrieben, indem die restliche Ausschusssitzung dann wieder im Landtagsgebäude stattfinden soll,“ kritisiert Kuhley auch das ‚Hin und Her der Schauplätze‘ innerhalb eines Termins. Die Formel des Ausschussvorsitzenden ‚Rücksicht auf Walter Lübcke an seiner Wirkungsstätte‘ ins Feld zu führen, sei der Gipfel der Scheinheiligkeit, so Kuhley. Dr. Walter Lübcke sei ein mutiger Demokrat gewesen. Sein Andenken werde am besten durch mutige Demokratie vor Ort gewahrt und nicht durch vorgetäuschte Bedenkenträgerei.

Mit der Bitte um Veröffentlichung

Horst Paul Kuhley

Hier die veröffentlichte Presseerklärung…