Erinnerungskultur
Wir bemühen uns um Formen des Erinnerns, die von der Zivilgesellschaft bzw. Gruppen aus dieser ausgehen und für möglichst viele offen sind, auch für Vertreter von Religionsgemeinschaften, Parteien und Repräsentanten staatlicher Institutionen.
Über zehn Jahre hat die Kasseler Initiative 6. April am Todestag von Halit Yozgat, 2006 vom NSU in der Nordstadt ermordet, ein gemeinsames Gedenken der Familie, der Zivilgesellschaft und der Stadt Kassel organisiert, bis OB Geselle unter Vorwänden diese Gemeinsamkeit 2018 aufgekündigt hat.
Die Initiative NACHGEFRAGT folgte diesem Beispiel und hat 2020 das Gedenken an die Ermordung des Kasseler Regierungspräsidenten Dr. Walter Lübcke (Juni 2019) durch einen ökumenischen Gedenkgottesdienst geprägt, an dem die Familie, die Zivilgesellschaft und Vertreter der Stadt und des Landes Hessen als Privatpersonen teilgenommen haben.
(mehr …) Ein Beispiel für die konkrete Umsetzung dieser Prinzipien ist der Gottesdienst zum Gedenken an die Ermordung Dr. Walter Lübckes, der am 4. Juni 2020 stattfand.
Initiiert wurde diese Erinnerungsveranstaltung vom “Kulturkreis gegen Rechts“, einem Arbeitskreis aus verschiedenen Personen und Gruppen, der sich im Anschluss an die Kasseler Erklärung Ende 2019 mit dem Ziel gebildet hat, ein Kulturfest gegen Rechts zu organisieren, das dann leider coronabedingt verschoben werden musste.
Die Mitarbeit von Vertretern beider Kirchen, die gute Vernetzung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer in der Zivilgesellschaft, vielfältige Kontakte zu Politikern und nicht zuletzt gute persönliche Kontakte durch einen Vertrauensmann der betroffenen Familie Lübcke ermöglichten es, einen ökumenischen Gottesdienst in der Kirche St. Elisabeth zu organisieren, der von je einem Vertreter der beiden christlichen Kirchen gemeinsam gestaltet wurde. Zusammen mit der Familie Lübcke gedachten Mitglieder von Demokratie-Initiativen und Vertreter des politischen Lebens aus der Stadt Kassel und dem Land Hessen der Ermordung Walter Lübckes.
Begleitet wurde der Gottesdienst durch Orgel- und Oboenspiel. Trotz der coronabedingten Einschränkungen, die nur eine begrenzte Zahl von Gottesdienstbesuchern erlaubten, konnte so eine würdige, kulturell vielschichtige und emotional berührende Gedenkfeier gestaltet werden. Neben der musikalischen Umrahmung trugen dazu auch die von uns bereit gestellten weißen Nelken bei, die die Gäste auf Wunsch mitnehmen und vor dem Gebäude des Regierungspräsidiums zum Gedenken ablegen konnten. Viele Gottesdienstbesucher haben das auch getan.
- Die Hinterbliebenen rechter Gewalttaten sollten mit einbezogen werden ebenso wie Menschen aus der Erinnerungsarbeit zum Nationalsozialismus (Gedenkstätten, Stolperstein …). Das Gedenken sollte mit Fragen der Gestaltung von Gegenwart und Zukunft verbunden werden.
(mehr…) Die Initiative NACHGEFRAGT hat durch ein Vorstandsmitglied Kontakt zur Familie des ermordeten Regierungspräsidenten Walter Lübcke in Wolfhagen. Nur so war es möglich, den ökumenischen Gedenkgottesdienst 2020 nach den Vorstellungen der Familie zu gestalten und zu terminieren. Vertreter unserer Initiative werden den Lübcke-Untersuchungsausschuss des Hessischen Landtages 2021 vor Ort verfolgen und darüber auch der Familie berichten, sofern sie das wünscht.
- Die Zivilgesellschaft ist für die Erinnerungskultur nicht weniger wichtig als offizielle Vertreter aus der Politik
Vor allem sollte die Erinnerungskultur positive Signale setzen, z.B. durch kulturelle Initiativen gegen Rechts. Die Formen des Erinnerns sollten sowohl Offenheit und Vielfalt als auch Übereinstimmung in der Bekämpfung von Neonazismus, Nationalismus, Rassismus und Antisemitismus zum Ausdruck bringen. Alles das gehört zum „Kampf gegen Rechts“.
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Ein gutes Beispiel dafür liefert seit 2019 das mehrtägige Nordstadtfestival der Initiative Nach dem Rechten sehen, NDRS). Im Coronajahr 2020 hat sich deshalb die Initiative Nachgefragt mit drei Veranstaltungen im August daran beteiligt: Zwei sehr gut besuchte Diskussionsveranstaltungen fanden im Kulturzentrum Schlachthof statt, eine zum Lübcke-Prozess vor dem OLG Frankfurt sowie zum neuen Lübcke-Untersuchungsausschuss des Hessischen Landtages. Daran nahmen u.a. die SPD Landesvorsitzende Nancy Faeser und der Linken-Landtagsabgeordnete Herrmann Schaus teil. Unsere zweite Diskussionsveranstaltung beleuchtete mit eine Referentin das Thema „Frauen in der rechten Szene“. Wir wollen dieses zu wenig beachtete Thema mit einer eigenen Veranstaltung 2021 weiter verfolgen.
- Positive Signale werden auch gesetzt, wenn die Erinnerungskultur von breiten Kreisen mitgetragen wird, etwa von den Kirchen
- Ritualisierte Formen des Gedenkens sollten fortlaufend überprüft werden, auch im Hinblick auf eine möglichst breite, Generationen übergreifende Akzeptanz.