Gescheiterte Aufklärung? – Untersuchungsausschüsse in hessischen Verhältnissen

Veranstaltung am 25.10.2023 – 18:00 bis 20:00

Kirche im Hof, Friedrich-Ebert-Straße 102

Thesen zum Hessischen Untersuchungsausschuss 20/1 (Dr. Walter Lübcke) für die Veranstaltung „Gescheiterte Aufklärung – Untersuchungsausschüsse in hessischen Verhältnissen“ am 25.10.2023

Von Horst Paul Kuhley

  1. Wir von der Initiative NACHGEFRAGT haben zu Beginn der Arbeit des Untersuchungsausschusses angenommen, es sei ein Grund für Optimismus, dass zum ersten Mal in Hessen ein Gesetz für Untersuchungsausschüsse als Grundlage der Arbeit einstimmig verabschiedet wurde.
  2. Ein zweiter Grund für Optimismus schien uns die Wahlen eines SPD-Abgeordneten als Berichterstatter und des Linken Abgeordneten Hermann Schaus zum stellvertretenden Ausschussvorsitzenden zu sein.
  3. Drittens waren wir der Hoffnung, dass die Regierungspartei CDU bei der Untersuchung des Mordes an einem Repräsentanten aus ihren eigenen Reihen mehr Eifer an den Tag legen würde, als beim NSU-Mord an Halit Yozgat.
  4. Viertens hat der Einsetzungsbeschluss des Landtags Hoffnung gemacht, dass auch die Zusammenhänge zwischen beiden Morden und die Kontinuitäten der rechtsextremen Szene in Nordhessen zur Sprache kommen würden. Diese Hoffnung hat sich nicht erfüllt.
  5. Bedenken kamen uns dann, als während der Corona-Monate im Jahr 2020 ein fast endloses Gezerre hinter den Kulissen über die zu ladenden Zeugen und über Einsichtnahme in Gerichtsakten stattfand.
  6. Als wir dann hörten, dass die Ausschusssitzungen nur presseöffentlich stattfinden sollten, haben wir zum ersten Mal direkt in die Ausschussarbeit eingegriffen und uns mit anderen Initiativen für allgemeine Öffentlichkeit der Sitzungen eingesetzt. Es wurde dann ebenfalls hinter den Kulissen ein Kompromiss erzielt, der 30 je Plätze für Presse und allgemeine Öffentlichkeit zuließ. Diese Zahl an Plätzen wurde nur an zwei Terminen benötigt (Vernehmung Ernst, Vernehmung Hartmann). Oft waren die Mitglieder von NACHGEFRAGT allein auf den Öffentlichkeitsplätzen. Es ist uns jedoch glaubwürdig versichert worden, dass die Anwesenheit von uns einen Unterschied in der Intensität der Befragungen erzeugte. Es gab eine Begleitung der Arbeit durch eine Veranstaltungsreihe von uns und den Blog von Michael Lacher. Die Koalitionsfraktionen haben aber sich nicht großartig beteiligt.
  7. Wir haben ein zweites Mal zur Mitte der Ausschusszeit in die Arbeit eingegriffen, indem wir bemängelten, dass manche Ausschussmitglieder, insbesondere die von CDU und Grünen auf ihr Fragerecht in Sitzungen verzichteten und somit die Opposition allein an der Aufklärung arbeiten musste. Danach trat kurz eine Veränderung ein zu einem respektvolleren Umgang miteinander.
  8. Insbesondere durch den Ausschussvorsitzenden Heinz (CDU) aber auch durch andere Abgeordneten, wie Bellino und Müller (beide CDU) wurde systematisch verhindert, dass Fragen zum zweiten Teil des Einsetzungsbeschlusses, nämlich zur rechtsradikalen Szene gestellt werden konnten, sofern sie nicht auf die Namen Ernst und Hartmann konzentriert waren.
  9. Es war in unseren Augen ein Skandal mit Ansage als durch den ehemaligen Innenminister und jetzigen Ministerpräsidenten Rhein ein pauschaler Freispruch vom Behördenversagen formuliert wurde, dem sich sein Nachfolger nur anschließen musste, mit dem Tenor: Der Mord an Walter Lübcke war nicht zu verhindern.
  10. Dieser Skandal wurde noch übertroffen, dadurch dass still und heimlich von wem auch immer ein detaillierter Abschlussbericht vorbereitet wurde, eingebracht von Holger Bellino, den CDU und GRÜNE dem sorgfältig ausgearbeiteten Bericht des offiziellen Berichterstatters Kummer (SPD) per Ein-Stimmen-Mehrheit als offiziellen Bericht entgegensetzen konnte. Auch hier mit dem Tenor: Es wurden keine Fehler gemacht, der Mord war nicht zu verhindern.