Wann, wenn nicht jetzt!
Wo und wie fängt man es an, ein Bildungsangebot zu aufzubauen, das zur ‚demokratischen Teilhabe ermutigt‘ und ‚Menschen befähigt, sich kritisch mit rechter Propaganda auseinanderzusetzen‘? Angesichts der Fülle, vor allem aber der Dringlichkeit möglicher Ansatzpunkte gibt es dafür keine einfachen oder gar eindeutigen Lösungen. Leichter ist dagegen die Frage nach dem ‚Wann‘ zu beantworten: Wann, wenn nicht jetzt!?
Ein flotter Slogan, vielfach zitiert und verwendbar in den unterschiedlichsten Zusammenhängen, immer dann, wenn Veränderung, Verbesserung, Weiterentwicklung angesagt ist. Nicht zuletzt lautete so das Motto einer Tagung zur Politischen Bildung im Herbst 2018 in der Evangelischen Akademie Hofgeismar, aus der auch die ‚Hofgeismarer Erklärung‘ hervorgegangen ist. Die Bestandsaufnahme, die bei dieser Tagung vorgenommen wurde, kam zu einem recht deprimierenden Ergebnis: die formale Politische Bildung wurde in Hessen in den letzten Jahrzehnten heruntergewirtschaftet, kaputtgespart oder zur gefälligen Unkenntlichkeit umdefiniert. In den Schulen findet sie nur noch am Rande statt und auch die ehemals blühende außerschulische Bildung darbt vor sich hin (einzelne kleine ‚Leuchtturmprojekte‘ ausgenommen, aber die machen die bildungspolitische Nacht nicht hell genug).
Die Konsequenzen sind augenfällig. Politisches Interesse und gesellschaftliches Engagement lassen deutlich nach. Gleichzeitig schwindet die Fähigkeit zur kritischen Auseinandersetzung mit einer exorbitant wachsenden Informationsfülle, vor allem in den digitalen Medien. Dies betrifft keineswegs nur Jugendliche. Aus der erschreckenden Geschwindigkeit und Aggressivität, mit der sich Emotionalisierungskampagnen und Hassreden im Netz ausbreiten, resultierte für uns deshalb ein dringlicher Handlungsbedarf im Themenfeld Hate Speech/Hate Breach. Auch wenn überproportional viele unserer aktiven Mitstreiter/innen aus dem Lehrerberuf kommen, sahen wir die vorrangige Adressatengruppe für entsprechende Bildungsangebote zunächst im Bereich der Erwachsenenbildung.
Hate Speech und Hate Breach – Bildungsangebote für Schulen der Region
Eine Anfrage aus der Alten Landesschule in Korbach (ALS) führte allerdings zu einem klassischen Workshop-Angebot für Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe I. Als Kooperationspartner konnten wir dafür die Kopiloten e. V. gewinnen. Mit vielfältigen Erfahrungen aus ihrem erprobten Hatebreach – Programm haben sie im November 2019 an der ALS einen handlungsorientierten Workshop für die Jahrgangsstufe 8 organisiert, der nicht nur der Sensibilisierung für Ursachen und Formen digitaler Hasskampagnen diente, sondern auch Gegenstrategien aufzeigen sollte. Die Rückmeldungen zu diesem Pilotprojekt waren positiv. Eine längerfristige Zusammenarbeit mit der ALS deutete sich an, und es gab Interesse von anderen Schulen aus dem Landkreis. Wir hofften, auch perspektivisch ein strukturiertes Angebot für Schulen ermöglichen zu können.
Aber dann kam Corona – und damit das vorläufige Aus für schulische Präsenzangebote, zumal in der Zusammenarbeit mit außerschulischen Bildungsträgern. Die weitere Entwicklung ist immer noch nicht absehbar. Da aber schulische Workshops zum Thema Hatespeech, obwohl – oder gerade weil – sie Elemente der digitalen Kommunikation fokussieren, unserer Meinung nach nicht vorrangig instruktiv sein dürfen und deshalb auch nicht ohne unmittelbare Interaktion auskommen, liegt die Zusammenarbeit mit Schulen zunächst einmal auf Eis. Wir warten ab, bis auch analoge Begegnungen wieder möglich sind.
Ein strukturiertes Bildungsangebot für junge Erwachsene
Nicht nur in dieser Situation hat sich die von Beginn an vereinbarte Begleitung durch die Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) als sehr hilfreich erwiesen. Wir freuen uns über Ermutigung und manch guten Rat zur rechten Zeit. Hinweise aus der FES halfen uns zum Beispiel, die coronabedingte Unterbrechung unserer Zusammenarbeit mit Schulen nicht nur als Verlust, sondern auch als Chance zu begreifen, uns verstärkt der Zielgruppe ‚Junge Erwachsene‘ zuzuwenden und damit an unsere ursprüngliche Positionierung in der Erwachsenenbildung anzuknüpfen. Junge Erwachsene – so zeigen nicht nur die Studien der FES – sind diejenige Zielgruppe, die durch die vorhandenen politischen Bildungsprogramme kaum angesprochen wird. Der formalen schulischen Bildung sind sie entwachsen, die traditionellen Angebote der Erwachsenbildung durch Vereine, Gewerkschaften oder etwa die VHS erreichen sie noch (?) nicht. Gleichzeitig ist diese Generation in den ‚Echokammern‘ des Internet, in den Kommentarfunktionen, Messenger-Diensten, Foren oder Sozialen Netzwerken besonders aktiv vertreten.
Es liegt also nahe, ein adressatenbezogenes, spezifiziertes Bildungsangebot für diese Gruppe zu entwickeln. Eine Herausforderung wird darin bestehen, analoge Umsetzungsmöglichkeiten zu definieren und/oder Formate des Blended Learning zu erarbeiten, die auch Präsenzphasen explizit einschließen. Denn: ohne die unmittelbare Kommunikation, ohne direkte Begegnung, ohne realen Diskurs und Erfahrungslernen geht es nicht – gerade wenn demokratische Teilhabe, Selbstwirksamkeit und soziale Sensibilisierung zu den zentralen Bildungszielen gehören.
Eher mittelfristig einzuordnen sind unsere Überlegungen zur Entwicklung von Bildungsmodulen für Multiplikatoren in der betrieblichen Ausbildung. Grundsätzlich können wir uns auch vorstellen an Angeboten zur Stärkung demokratischer Teilhabe im ländlichen Raum mitzuwirken, optional in Zusammenarbeit mit Institutionen, die schon länger in dieser Hinsicht aktiv sind (wie z. B. die Adam-von Trott-Stiftung). Aktive Mitarbeit in jeder Form, konstruktiver Rat und gute Ideen gerne erwünscht!
Von großen Einzelveranstaltungen zu thematischen Reihen – unser Veranstaltungsprogramm
Auch unsere großen öffentlichen Veranstaltungen haben zur politischen Bildung beigetragen, selbst wenn sie nicht dezidiert unter den Gesichtspunkten eines ‚Bildungs‘anspruchs im engeren Sinne konzipiert waren. Als Informations- und Diskussionsangebote waren sie vor allem Bestandteil der öffentlichen Meinungsbildung. Sie dienten der Aufklärung über neonazistische Strukturen und boten sowohl parlamentarischen Gremien wie dem NSU-Untersuchungsausschuss als auch Journalisten und zivilgesellschaftlichen Rechercheuren die Möglichkeit, ihre Erkenntnisse publik zu machen und dadurch notwendige Debatten anzustoßen.
Seit 2017 haben wir in lockerer Folge insgesamt fünf solcher Veranstaltungen organisiert (siehe auch Veranstaltungen); in der Regel in den Räumen der Universität Kassel, alle mit großer öffentlicher Resonanz und weit über 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Bewährte Kooperationspartner waren dabei auch andere Bildungsträger wie die GEW und die Volkshochschule Kassel. Thematisch haben wir uns im Sinne unserer politischen Ziele mit verschiedenen Aspekten der rechten Szene in Nordhessen und den angrenzenden Regionen beschäftigt, die Arbeit der NSU-Untersuchungsausschüsse in Hessen und im Bund vorgestellt, vor allem aber mehrfach das Behördenversagen bei der Aufklärung rechter Gewalttaten und die Rolle des Verfassungsschutzes kritisch beleuchtet. Da wir durchgehend Expertinnen und Experten aus parlamentarischen Untersuchungsausschüssen sowie qualifizierte journalistische Fachleute auf unseren Podien zu Gast hatten, konnten wir einschlägiges Wissen und manchmal sogar Informationen aus erster Hand vermitteln. Die Perspektive der Opfer von rechter Gewalt wurde besonders authentisch von der in doppelter Weise betroffenen Anwältin Seda Basay-Yildiz und einem erfahrenen Mitarbeiter des Mobilen Beratungsteams Hessen eingebracht.
Schon unter Corona-Bedingungen und mit deshalb deutlich eingeschränkter Teilnehmer/innenzahl haben wir uns im September 2020 mit kleineren Angeboten an dem Festival von ‚Nach dem Rechten sehen‘ beteiligt (siehe Veranstaltungen). Dabei ging es einerseits um den neuen parlamentarischen Untersuchungsausschuss ‚UNA 20/1 – Dr. Walter Lübcke‘, insbesondere um Hintergrundwissen über dessen erschwerte Startbedingungen, andererseits um einen ersten Einblick in die genderspezifische Thematik von ‚Frauen in der rechten Szene‘.
Alle bisherigen Veranstaltungen waren ausdrücklich an unseren allgemeinen politischen Ziele orientiert (s. o.). Gleichzeitig haben wir bei der Organisation zeitnah auf aktuelle Entwicklungen und Ereignisse reagieren und damit ein für uns zentrales Arbeitsprinzip bisher gut umsetzen können: Zielklarheit, Offenheit und Flexibilität in guter Balance!
Wie geht es weiter?
Diesem Prinzip möchten wir auch in Zukunft folgen. Wir freuen uns sehr, dass inzwischen wieder Präsenzangebote möglich sind, wenn auch vorläufig noch nicht in der gleichen Größenordnung wie früher. Im Sinne der Nachhaltigkeit sind wir zunehmend dazu übergegangen, statt singulärer Großveranstaltungen thematische Reihen in jeweils überschaubarem Rahmen zu definieren. Konkret sind für das aktuelle Programmjahr folgende Veranstaltungsreihen geplant:
In einer Gesprächsreihe, die vom „Offenen Kanal Kassel“ aufgezeichnet und gesendet wird, begleitet die Initiative weiterhin kontinuierlich die Arbeit des Hessischen Untersuchungsausschusses UNA 20/1 (Dr. Walter Lübcke). Dabei haben Landtagsabgeordnete die Gelegenheit, über ihre Arbeit im Ausschuss zu berichten, mit Vertretern der Zivilgesellschaft ins Gespräch zu kommen und Fragen und Anregungen von Bürgerinnen und Bürgern für ihre Arbeit aufzunehmen. Als Gäste werden auch zukünftig Mitglieder des Untersuchungsausschusses aus den demokratischen Parteien sowie engagierte Bürgerinnen und Bürger eingeladen.
Eine zweite Serie von Veranstaltungen befasst sich mit Frauen in der rechten Szene. Sie begann mit einer Einführung in die Problematik von Sonja Brasch (NSU-Watch) bereits in 2020 und wird in 2021 zu spezifischen Aspekten fortgesetzt, zum Beispiel zu den Strategien rechter Influencerinnen und zu Rollenmustern und Aktionsformen von Frauen in der rechten Szene. Referentinnen sind ausgewiesene Expertinnen wie Natascha Strobl (Politikwissenschaftlerin, Wien) und Michaela Köttig (Konfliktforscherin, Professorin an der Frankfurt University of Applied Science).
Eine Reihe zum Thema ‚Rechtsterrorismus als Herausforderung staatlichen Handels‘ beginnt am 30. 09. 2021 mit einer Buchvorstellung des Autors und Rechtsextremismusexperten Martín Steinhagen und wird und im Frühjahr 2022 mit dem Journalisten Ronen Steinke (SZ) zur Rolle der Justiz im Kampf gegen Rechts fortgesetzt.
Die genannten Veranstaltungsserien gehen als Beiträge von NACHGEFRAGT in die vom Evangelischen Forum Kassel sowie weiteren Kooperationspartnern ausgerichtete Jahresreihe ‚Demokratie stärken – Gegen Hass und Terror‘ ein, sollen aber auch eigenständig weiterentwickelt werden. Einzelne Veranstaltungen wurden zudem im Sommer 2021 wiederum im Rahmen des jährlichen Festivals ‚Nach dem Rechten sehen‘ organisiert. Durch die Beteiligung an variierenden Kooperationsverbünden können wir unterschiedliche Zielgruppen erreichen und hoffen, so zu einem lebendigen politischen Diskurs beizutragen.
Wann, wenn nicht jetzt!
Wo und wie fängt man es an, ein Bildungsangebot zu aufzubauen, das zur ‚demokratischen Teilhabe ermutigt‘ und ‚Menschen befähigt, sich kritisch mit rechter Propaganda auseinanderzusetzen‘? Angesichts der Fülle, vor allem aber der Dringlichkeit möglicher Ansatzpunkte gibt es dafür keine einfachen oder gar eindeutigen Lösungen. Leichter ist dagegen die Frage nach dem ‚Wann‘ zu beantworten: Wann, wenn nicht jetzt!?
Ein flotter Slogan, vielfach zitiert und verwendbar in den unterschiedlichsten Zusammenhängen, immer dann, wenn Veränderung, Verbesserung, Weiterentwicklung angesagt ist. Nicht zuletzt lautete so das Motto einer Tagung zur Politischen Bildung im Herbst 2018 in der Evangelischen Akademie Hofgeismar, aus der auch die ‚Hofgeismarer Erklärung‘ hervorgegangen ist. Die Bestandsaufnahme, die bei dieser Tagung vorgenommen wurde, kam zu einem recht deprimierenden Ergebnis: die formale Politische Bildung wurde in Hessen in den letzten Jahrzehnten heruntergewirtschaftet, kaputtgespart oder zur gefälligen Unkenntlichkeit umdefiniert. In den Schulen findet sie nur noch am Rande statt und auch die ehemals blühende außerschulische Bildung darbt vor sich hin (einzelne kleine ‚Leuchtturmprojekte‘ ausgenommen, aber die machen die bildungspolitische Nacht nicht hell genug).
Die Konsequenzen sind augenfällig. Politisches Interesse und gesellschaftliches Engagement lassen deutlich nach. Gleichzeitig schwindet die Fähigkeit zur kritischen Auseinandersetzung mit einer exorbitant wachsenden Informationsfülle, vor allem in den digitalen Medien. Dies betrifft keineswegs nur Jugendliche. Aus der erschreckenden Geschwindigkeit und Aggressivität, mit der sich Emotionalisierungskampagnen und Hassreden im Netz ausbreiten, resultierte für uns deshalb ein dringlicher Handlungsbedarf im Themenfeld Hate Speech/Hate Breach. Auch wenn überproportional viele unserer aktiven Mitstreiter/innen aus dem Lehrerberuf kommen, sahen wir die vorrangige Adressatengruppe für entsprechende Bildungsangebote zunächst im Bereich der Erwachsenenbildung.
Hate Speech und Hate Breach – Bildungsangebote für Schulen der Region
Eine Anfrage aus der Alten Landesschule in Korbach (ALS) führte allerdings zu einem klassischen Workshop-Angebot für Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe I. Als Kooperationspartner konnten wir dafür die Kopiloten e. V. gewinnen. Mit vielfältigen Erfahrungen aus ihrem erprobten Hatebreach – Programm haben sie im November 2019 an der ALS einen handlungsorientierten Workshop für die Jahrgangsstufe 8 organisiert, der nicht nur der Sensibilisierung für Ursachen und Formen digitaler Hasskampagnen diente, sondern auch Gegenstrategien aufzeigen sollte. Die Rückmeldungen zu diesem Pilotprojekt waren positiv. Eine längerfristige Zusammenarbeit mit der ALS deutete sich an, und es gab Interesse von anderen Schulen aus dem Landkreis. Wir hofften, auch perspektivisch ein strukturiertes Angebot für Schulen ermöglichen zu können.
Aber dann kam Corona – und damit das vorläufige Aus für schulische Präsenzangebote, zumal in der Zusammenarbeit mit außerschulischen Bildungsträgern. Die weitere Entwicklung ist immer noch nicht absehbar. Da aber schulische Workshops zum Thema Hatespeech, obwohl – oder gerade weil – sie Elemente der digitalen Kommunikation fokussieren, unserer Meinung nach nicht vorrangig instruktiv sein dürfen und deshalb auch nicht ohne unmittelbare Interaktion auskommen, liegt die Zusammenarbeit mit Schulen zunächst einmal auf Eis. Wir warten ab, bis auch analoge Begegnungen wieder möglich sind.
Ein strukturiertes Bildungsangebot für junge Erwachsene
Nicht nur in dieser Situation hat sich die von Beginn an vereinbarte Begleitung durch die Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) als sehr hilfreich erwiesen. Wir freuen uns über Ermutigung und manch guten Rat zur rechten Zeit. Hinweise aus der FES halfen uns zum Beispiel, die coronabedingte Unterbrechung unserer Zusammenarbeit mit Schulen nicht nur als Verlust, sondern auch als Chance zu begreifen, uns verstärkt der Zielgruppe ‚Junge Erwachsene‘ zuzuwenden und damit an unsere ursprüngliche Positionierung in der Erwachsenenbildung anzuknüpfen. Junge Erwachsene – so zeigen nicht nur die Studien der FES – sind diejenige Zielgruppe, die durch die vorhandenen politischen Bildungsprogramme kaum angesprochen wird. Der formalen schulischen Bildung sind sie entwachsen, die traditionellen Angebote der Erwachsenbildung durch Vereine, Gewerkschaften oder etwa die VHS erreichen sie noch (?) nicht. Gleichzeitig ist diese Generation in den ‚Echokammern‘ des Internet, in den Kommentarfunktionen, Messenger-Diensten, Foren oder Sozialen Netzwerken besonders aktiv vertreten.
Es liegt also nahe, ein adressatenbezogenes, spezifiziertes Bildungsangebot für diese Gruppe zu entwickeln. Eine Herausforderung wird darin bestehen, analoge Umsetzungsmöglichkeiten zu definieren und/oder Formate des Blended Learning zu erarbeiten, die auch Präsenzphasen explizit einschließen. Denn: ohne die unmittelbare Kommunikation, ohne direkte Begegnung, ohne realen Diskurs und Erfahrungslernen geht es nicht – gerade wenn demokratische Teilhabe, Selbstwirksamkeit und soziale Sensibilisierung zu den zentralen Bildungszielen gehören.
Eher mittelfristig einzuordnen sind unsere Überlegungen zur Entwicklung von Bildungsmodulen für Multiplikatoren in der betrieblichen Ausbildung. Grundsätzlich können wir uns auch vorstellen an Angeboten zur Stärkung demokratischer Teilhabe im ländlichen Raum mitzuwirken, optional in Zusammenarbeit mit Institutionen, die schon länger in dieser Hinsicht aktiv sind (wie z. B. die Adam-von Trott-Stiftung). Aktive Mitarbeit in jeder Form, konstruktiver Rat und gute Ideen gerne erwünscht!
Von großen Einzelveranstaltungen zu thematischen Reihen – unser Veranstaltungsprogramm
Auch unsere großen öffentlichen Veranstaltungen haben zur politischen Bildung beigetragen, selbst wenn sie nicht dezidiert unter den Gesichtspunkten eines ‚Bildungs‘anspruchs im engeren Sinne konzipiert waren. Als Informations- und Diskussionsangebote waren sie vor allem Bestandteil der öffentlichen Meinungsbildung. Sie dienten der Aufklärung über neonazistische Strukturen und boten sowohl parlamentarischen Gremien wie dem NSU-Untersuchungsausschuss als auch Journalisten und zivilgesellschaftlichen Rechercheuren die Möglichkeit, ihre Erkenntnisse publik zu machen und dadurch notwendige Debatten anzustoßen.
Seit 2017 haben wir in lockerer Folge insgesamt fünf solcher Veranstaltungen organisiert (siehe auch Veranstaltungen); in der Regel in den Räumen der Universität Kassel, alle mit großer öffentlicher Resonanz und weit über 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Bewährte Kooperationspartner waren dabei auch andere Bildungsträger wie die GEW und die Volkshochschule Kassel. Thematisch haben wir uns im Sinne unserer politischen Ziele mit verschiedenen Aspekten der rechten Szene in Nordhessen und den angrenzenden Regionen beschäftigt, die Arbeit der NSU-Untersuchungsausschüsse in Hessen und im Bund vorgestellt, vor allem aber mehrfach das Behördenversagen bei der Aufklärung rechter Gewalttaten und die Rolle des Verfassungsschutzes kritisch beleuchtet. Da wir durchgehend Expertinnen und Experten aus parlamentarischen Untersuchungsausschüssen sowie qualifizierte journalistische Fachleute auf unseren Podien zu Gast hatten, konnten wir einschlägiges Wissen und manchmal sogar Informationen aus erster Hand vermitteln. Die Perspektive der Opfer von rechter Gewalt wurde besonders authentisch von der in doppelter Weise betroffenen Anwältin Seda Basay-Yildiz und einem erfahrenen Mitarbeiter des Mobilen Beratungsteams Hessen eingebracht.
Schon unter Corona-Bedingungen und mit deshalb deutlich eingeschränkter Teilnehmer/innenzahl haben wir uns im September 2020 mit kleineren Angeboten an dem Festival von ‚Nach dem Rechten sehen‘ beteiligt (siehe Veranstaltungen). Dabei ging es einerseits um den neuen parlamentarischen Untersuchungsausschuss ‚UNA 20/1 – Dr. Walter Lübcke‘, insbesondere um Hintergrundwissen über dessen erschwerte Startbedingungen, andererseits um einen ersten Einblick in die genderspezifische Thematik von ‚Frauen in der rechten Szene‘.
Alle bisherigen Veranstaltungen waren ausdrücklich an unseren allgemeinen politischen Ziele orientiert (s. o.). Gleichzeitig haben wir bei der Organisation zeitnah auf aktuelle Entwicklungen und Ereignisse reagieren und damit ein für uns zentrales Arbeitsprinzip bisher gut umsetzen können: Zielklarheit, Offenheit und Flexibilität in guter Balance!
Wie geht es weiter?
Diesem Prinzip möchten wir auch in Zukunft folgen. Wir freuen uns sehr, dass inzwischen wieder Präsenzangebote möglich sind, wenn auch vorläufig noch nicht in der gleichen Größenordnung wie früher. Im Sinne der Nachhaltigkeit sind wir zunehmend dazu übergegangen, statt singulärer Großveranstaltungen thematische Reihen in jeweils überschaubarem Rahmen zu definieren. Konkret sind für das aktuelle Programmjahr folgende Veranstaltungsreihen geplant:
In einer Gesprächsreihe, die vom „Offenen Kanal Kassel“ aufgezeichnet und gesendet wird, begleitet die Initiative weiterhin kontinuierlich die Arbeit des Hessischen Untersuchungsausschusses UNA 20/1 (Dr. Walter Lübcke). Dabei haben Landtagsabgeordnete die Gelegenheit, über ihre Arbeit im Ausschuss zu berichten, mit Vertretern der Zivilgesellschaft ins Gespräch zu kommen und Fragen und Anregungen von Bürgerinnen und Bürgern für ihre Arbeit aufzunehmen. Als Gäste werden auch zukünftig Mitglieder des Untersuchungsausschusses aus den demokratischen Parteien sowie engagierte Bürgerinnen und Bürger eingeladen.
Eine zweite Serie von Veranstaltungen befasst sich mit Frauen in der rechten Szene. Sie begann mit einer Einführung in die Problematik von Sonja Brasch (NSU-Watch) bereits in 2020 und wird in 2021 zu spezifischen Aspekten fortgesetzt, zum Beispiel zu den Strategien rechter Influencerinnen und zu Rollenmustern und Aktionsformen von Frauen in der rechten Szene. Referentinnen sind ausgewiesene Expertinnen wie Natascha Strobl (Politikwissenschaftlerin, Wien) und Michaela Köttig (Konfliktforscherin, Professorin an der Frankfurt University of Applied Science).
Eine Reihe zum Thema ‚Rechtsterrorismus als Herausforderung staatlichen Handels‘ beginnt am 30. 09. 2021 mit einer Buchvorstellung des Autors und Rechtsextremismusexperten Martín Steinhagen und wird und im Frühjahr 2022 mit dem Journalisten Ronen Steinke (SZ) zur Rolle der Justiz im Kampf gegen Rechts fortgesetzt.
Die genannten Veranstaltungsserien gehen als Beiträge von NACHGEFRAGT in die vom Evangelischen Forum Kassel sowie weiteren Kooperationspartnern ausgerichtete Jahresreihe ‚Demokratie stärken – Gegen Hass und Terror‘ ein, sollen aber auch eigenständig weiterentwickelt werden. Einzelne Veranstaltungen wurden zudem im Sommer 2021 wiederum im Rahmen des jährlichen Festivals ‚Nach dem Rechten sehen‘ organisiert. Durch die Beteiligung an variierenden Kooperationsverbünden können wir unterschiedliche Zielgruppen erreichen und hoffen, so zu einem lebendigen politischen Diskurs beizutragen.