Bericht vom Podiumsgespräch: Gemeinsam gegen rechts? – Was wir vom Aktionsplan gegen Rechtsextremismus des Bundesministeriums des Inneren erwarten können

Bericht von der Veranstaltung am 2. November 2022 von 18:00-20:00 Uhr in der Karlskirche am Karlsplatz
Veranstalter: Evangelisches Forum Kassel, Initiative NACHGEFRAGT e. V.
Unterstützer: Volkshochschule Region Kassel, Neue Richtervereinigung, Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Juristen, Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Kassel Land und Kassel Stadt

Vorstellung des Aktionsplanes: Esther Dilcher (Bundestagsabgeordnete, SPD) Gesprächspartner: Dr. Rolf Gössner (Rechtsanwalt, Publizist und Kuratoriumsmitglied der Internationalen Liga für Menschenrechte), Dr. Dr. Maximilian Pichl (Vertretungsprofessur Politische Theorie, Universität
Kassel), Moderation: Armin Ruda (Medienprojektzentrum Offener Kanal Kassel)


Die Veranstaltung fand statt, allerdings nicht ganz wie geplant. Da die Bundestagsabgeordnete Esther Dilcher erkrankt war, konnte die Position der SPD zum Aktionsplan nicht vertreten werden. Stattdessen referierte Karl Bachsleitner von NACHGEFRAGT die wesentlichen Aussagen in dem 10-Punkte Aktionsplan.
Der Jurist Rolf Gössner und Dr. Dr. Maximilian Pichl bezeichneten übereinstimmend den Plan als „Diskussionsgrundlage“, also durchaus mit erwägenswerten Maßnahmen und Ansätzen ausgestattet. So sei etwa der Schutz von Mandatsträgern im lokalen Bereich dringend verbesserungswürdig, sagte Pichl.
Rolf Gössner hob als einen Gefahrenpunkt hervor, dass die Verschärfung der staatlichen Kontrolle des Beamtenapparats dazu führen könne, dass man wieder zu einer „Regelanfrage“ vor jeder Einstellung käme, wie in den unseligen Zeiten der Berufsverbotepraxis in den siebziger und achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts. Pichl stimmte zu und verwies auch auf den
Punkt der unklaren Definition von „Verschwörungserzählungen“, die jede Kritik an staatlichen Maßnahmen als „nicht verfassungsgemäß“ einordnen könnte. Der Unterschied gegenüber der Berufsverbote-Kampagne sei, dass nicht nur die Ablehnung der Verfassung zu Maßnahmen führen könne, sondern darüber hinaus auch die Ablehnung konkreten staatlichen Handelns.

Aus den Reihen der 64 Teilnehmerinnen und Teilnehmer kamen Anfragen zu den juristischen Grundlagen und der Umsetzung des Aktionsplans. Die
Referenten waren sich einig, dass bisher noch wenig von der Umsetzung bemerkt werden könne, allerdings sei zum Beispiel das bereits seit längerem diskutierte „Demokratie-Fördergesetz“ ein komplexes Vorhaben, bei dem Familienministerium, Justizministerium und Innenministerium zusammenwirken müssten.
Auf die Nachfrage einer Zuhörerin, ob es ein Land gebe, in dem man auf einen
Inlandsgeheimdienst verzichte, mussten beide Referenten zunächst passen. Allerdings, so Rolf Gössner, enthalte die Verteidigung der Demokratie durch einen Geheimdienst einen logischen Widerspruch, da ein Geheimdienst nicht demokratisch kontrollierbar sei. Das läge in der Natur der Sache. Hier verwies Pichl auf England, wo einige Skandale zu einer restriktiveren Praxis bei der Überwachung von Organisationen geführt hätten. Gössner berichtete von einer rot-grünen Periode in Niedersachsen, die von einer eingeschränkten Aufgabendefinition für den Verfassungsschutz geprägt war.
Pichl konstatierte, dass die diversen NSU-Untersuchungsausschüsse systematisches Versagen der 17 Ämter für Verfassungsschutz zu Tage gebracht hätten, und dass das System bezahlter (und z. T. offen krimineller) V-Leute bei der Mitfinanzierung rechtsextremer Netzwerke geholfen habe. Deshalb seien Pläne für einen Ersatz des Verfassungsschutzes durch ein ziviles
Forschungsinstitut in Thüringen diskutiert, jedoch nicht umgesetzt worden.
Bereits während der Diskussion und auch nach dem Ende der zweistündigen Debatte erhielten die Veranstalter Evangelisches Forum und NACHGEFRAGT viel Lob von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Man könne sich jetzt ein besseres Bild von dem Aktionsplan machen, so eine Teilnehmerin. Die Veranstaltung helfe dabei, sich eine eigene Meinung über den Aktionsplan zu
bilden, sagte ein Teilnehmer.

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