Jahresrückblick 2019

Liebe Mitglieder von NACHGEFRAGT e. V.

Unser erstes Vereinsjahr ist zu Ende, und obwohl es nur sechs Monate dauerte, können wir mit den Ergebnissen unserer Tätigkeit sehr zufrieden sein. Der Verein wächst kontinuierlich und hat derzeit (Stand 31.12.2019) 18 Mitglieder. Die Formalitäten der Vereinsgründung waren zeitraubend, konnten aber mit großem Einsatz an Zeit bis November 2019 erledigt werden. Wir verfügen über die amtliche Eintragung als e.V., die vorläufige Gemeinnützigkeitsbescheinigung und ein Vereinskonto. Wir erfüllen unsere Vereinszwecke durch kontinuierliche Arbeit an der Aufklärung der Bevölkerung über die Gefahren durch Neonazis, durch Angebote der innerschulischen und außerschulischen Politischen Bildung und durch die Bereitstellung von Informationen zur demokratischen Willensbildung über die Medien.
Im Rahmen der Vereinszwecke steht auch unsere Mitarbeit beim „Runden Tisch Rechtsextremismus in Hessen“ der Landtagsfraktion der SPD. In den beiden Sitzungen des Jahres 2019 stand auch die Forderung nach einer Landesstiftung für Demokratie, Aufklärung und Politische Bildung in Erinnerung an die hessischen Nazi-Opfer zur Debatte. Die SPD Landtagsfraktion hat damit einen unserer Vorschläge aufgegriffen, den wir unter anderem als Konsequenz aus der Arbeit des hessischen NSU-Untersuchungsausschusses formuliert hatten.
Unsere Vereinsarbeit seit Sommer 2019 fußt auf der ehrenamtlichen Arbeit der Kasseler Initiative NACHGEFRAGT, die seit 2017 daran arbeitete, das Schweigekartell um den Mord an Halit Yozgat, die Rolle des Verfassungsschützers Andreas Temme und die Verhinderung der Aufklärung des Mordes durch Volker Bouffier zu durchbrechen. Zu vier Veranstaltungen von 2017 bis 2019 kamen jeweils mehr als hundert Personen, um sich zu informieren. Die lokalen Medien jedoch hielten zunächst das Thema der rechten Terrornetzwerke nicht für berichtenswert. Im März 2019 veranstaltete die Initiative NACHGEFRAGT eine Podiumsdiskussion mit dem Titel „Gefahr im Verzug“. Auf dieser von der Bildungsgewerkschaft GEW geförderten Veranstaltung kritisierten Bundestags- und Landtagsabgeordnete von SPD, Grünen und Linken sowie die Anwältin Seda Basay-Yildiz insbesondere den mangelnden Aufklärungswillen hessischer Behörden. Im Vorfeld warf man der Initiative wegen des Veranstaltungstitels „Polizeisprech“ und Dramatisierung vor. Der nur drei Monaten später begangene Mord an Dr. Walter Lübcke durch einen bekannten Neonazi, der sich auf wiederum bekannte Neonazis stützen konnte, war allerdings eine Bestätigung unserer Befürchtungen.
Eine unbürokratische Spende des Landtagsvizepräsidenten Dr. Ulrich Wilken (Die Linke) ermöglichte es uns, am 10.10.2019 in der Universität eine Veranstaltung zur der „Gefahr durch rechte Netzwerke in Nordhessen“ durchzuführen. Sie wurde durch zahlreiche Organisationen spontan unterstützt. Über 230 Menschen nahmen teil und informierten sich bei den Podiumsteilnehmern Martín Steinhagen, Katharina König, Daniel Göbel und Christopher Vogel (Moderation: Armin Ruda)über die seit langem bestehenden, durch den Mord an Dr. Walter Lübcke wieder in den Fokus der Öffentlichkeit gelangten Gruppierungen von Neonazis in Nordhessen. Deren Verbindungen nach Thüringen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen ermöglichten auch schon zu Zeiten des ersten NSU logistische Unterstützung für die Mordanschläge. In diesem Zusammenhang haben wir damit begonnen, einen Veranstaltungskalender aus dem thematischen Umfeld des Bündnis gegen Rechts zu entwickeln, um diese Veranstaltungen einer breitere Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Für Schülerinnen und Schüler der Klassen 8 an der Alten Landesschule in Korbach konnten wir eine Veranstaltung mit den Kopiloten e. V. vermitteln, in der es um den Umgang mit Hatespeech im Internet ging. Im Workshop „Hatebreach“ ging es am 27. November 2019 um das Erkennen von Hasskommentaren und die Auseinandersetzung mit gewalttätiger Sprache im Internet.
Unsere größte Leistung in der kurzen Zeit des Bestehens ist jedoch die Formulierung der „Kasseler Erklärung“ zusammen mit anderen Aktivistinnen und Aktivisten des „Bündnis gegen Rechts“ und die Verbreitung dieser Erklärung. In nur drei Monaten unterzeichneten insgesamt 80 Einzelpersonen und 40 Unternehmen und Organisationen diese Erklärung. Viele erfahrene Aktivisten im Bündnis bestätigten uns einen großen Erfolg. Dies hat zu einer besseren Vernetzung innerhalb des Bündnisses geführt. Die meisten der Unterzeichner spendeten größere oder kleinere Geldbeträge, so dass am 14. Dezember 2019 eine halbseitige Anzeige mit dem Text der Kasseler Erklärung und den Unterzeichnern in der HNA erscheinen konnte. Für alle, die diese Ausgabe der HNA verpasst haben, fügen wir ein Faksimile bei.
Die Anzeige hat weitere Nordhessen ermutigt; kontinuierlich gehen neue Unterzeichnungswünsche ein. Wir sehen inzwischen die Kasseler Erklärung als programmatische Basis für eine kontinuierliche Zusammenarbeit im Bündnis gegen Rechts. Wir wollen das Bündnis so von einem rein reaktiven, punktuellen zu einem aktiven Bündnis umbauen, in dem gemeinsame Vorhaben gegen Neonazis und für eine offene, vielfältige und solidarische Gesellschaft geplant, koordiniert und umgesetzt werden können.
Wir wollen nicht verschweigen, dass die finanziellen, logistischen und „diplomatischen“ Aufgaben im Vorfeld der Veröffentlichung der Erklärung den Vereinsvorstand bis an die Grenzen des Möglichen und darüber hinaus belastet haben. Im neuen Jahr werden wir deshalb baldmöglichst auf einer Mitgliederversammlung am 6. März 2020 um weitere Unterstützung werben. Dabei sind Gäste neben den Vereinsmitgliedern stets willkommen. Eine gesonderte Einladung mit Tagesordnung wird Euch/Ihnen rechtzeitig zugehen.
Wir werden uns auch mit der Bitte um Unterstützung an die Kooperationspartner bei der Kasseler Erklärung wenden. Wenn sich einige Mitglieder und Andere bereit erklären, eingeschränkte Teilaufgaben zu übernehmen, können wir das nächste Ziel, eine Kulturveranstaltung auf dem Rainer-Dierichs-Platz am Kulturbahnhof im Juni 2020 gemeinsam mit anderen Initiativen anstreben.
Inzwischen ist unser Verein auch zum Ansprechpartner der lokalen und überregionalen Medien geworden. Beiträge über unseren Verein oder Interviews mit Vorstandsmitgliedern erschienen zum Beispiel im „Bericht aus Berlin“ (ARD), im Berliner „Tagesspiegel“, im „Südwestdeutschen Rundfunk“, in der „FAZ+“ und immer wieder in der „HLZ“, Zeitschrift der GEW Hessen. Auch werden wir öfter zu Hintergrundgesprächen zur rechten Szene in Nordhessen durch Journalisten angefragt.
Ich danke den Vorstandsmitgliedern Barbara Aner-Kuhley, Karl Bachsleitner, Elisabeth Gessner, Marianne Huttel, Thomas Jansen und Rainer Tigges-Gessner für die verlässliche und konstruktive Zusammenarbeit. Sie hat die oben beschriebenen Erfolge möglich gemacht.
Der Vorstand wünscht allen Mitgliedern ein erfolgreiches Neues Jahr, viel Glück und Gesundheit.

Kassel, im Januar 2020
Horst Paul Kuhley
(Erster Vorsitzender)